Gespräch: Barbara Tóth
FALTER: Nr. 46/2025
Erscheinungsdatum: 12.11.2025
Kathy Leichter, preisgekrönte Filmemacherin, beschäftigt sich in ihren Werken mit ihrer Familiengeschichte und Diskriminierung.
Als jüdische Frau unterstütze ich Muslime in politischen Ämtern, wenn ich von ihnen überzeugt bin und ihre Ziele und ihr Programm teile. Das trifft auf Zohran Mamdani zu. Dass Mamdani Muslim ist, spielte im New Yorker Bürgermeisterwahlkampf natürlich eine große Rolle. Einer seiner Gegner versuchte, ihn mit einem längeren Bart darzustellen, um ihn „muslimischer und vielleicht religiöser“ wirken zu lassen. Das war rassistisch, und viele Juden solidarisierten sich mit ihm. Gleichzeitig stammt Mamdani aus der palästinensischen Bürgerrechtsbewegung und verurteilte Formulierungen wie „die Intifada globalisieren“ nicht offen – er sagte aber, er würde sie nicht verwenden. Er hat sicherlich Fehler gemacht und lernt daraus. Ich bin überzeugt, dass er sich für alle New Yorker, auch für Juden, einsetzen wird.
Es gibt eindeutig viele anhaltende Bestrebungen, die Linke zu spalten, oft unter Einsatz von Antisemitismus. Bei dieser Bürgermeisterwahl gab es eine starke Zersplitterung innerhalb der jüdischen Gemeinde. Über 1000 Rabbiner aus den gesamten Vereinigten Staaten unterzeichneten einen Appell, nicht für Mamdani zu stimmen, da er sich nicht zu Israel als jüdischem Staat bekannt hat. Trump greift unsere Universitäten im Namen des Antisemitismus an und nutzt dies als Vorwand, um sich der Richtlinien zu Diversität, Gleichstellung und Inklusion an den Hochschulen zu entledigen. Wie fühlen sich wohl Menschen, wenn sie mitansehen müssen, wie seine Regierung die Meinungsfreiheit und die private Kontrolle vieler unserer Universitäten untergräbt? Manche werden die Juden dafür verantwortlich machen. Es war sehr schmerzhaft, die jüdische Gemeinde während dieser Bürgermeisterwahl so gespalten zu sehen. Ich habe für Mamdani gestimmt, weil er eine neue Generation von Sozialisten in der Tradition von Bernie Sanders repräsentiert. Die Demokraten brauchen einen Wandel. Sie haben den Kontakt zur Arbeiterklasse verloren. Die Trump-Anhänger sprechen die Arbeiterklasse derzeit viel stärker an. Das ist fatal.
Mamdani führte einen sehr klassenorientierten Wahlkampf. Wir haben enorme wirtschaftliche Ungleichheiten; das spaltet uns – und deshalb müssen Sozialisten über Geld sprechen. Über die Bezahlbarkeit von Wohnraum, von Leben, das sich die New Yorker nicht mehr leisten können.
Kathy Leichter
Die Lage hier in New York wird härter und gewalttätiger werden. Besonders für Einwanderer. Meine Freunde und ich besuchen Schulungen, um zu lernen, wie wir uns gegen die Einwanderungsbehörde ICE behaupten, wie wir uns gegenseitig und andere Einwanderer in der Nachbarschaft warnen, wenn ICE in der Nähe ist, und wie wir am besten auf Übergriffe reagieren.
Unsere Demokratie wird systematisch ausgehöhlt und zerstört; das ist keine Übertreibung. Man nimmt uns die Meinungsfreiheit. Man versucht, unsere Medien und Bildungseinrichtungen zu kontrollieren. Man hält vom Kongress bewilligte Gelder zurück. Man zerstört die Gewaltenteilung in unserem politischen System. Man betreibt Wahlkreismanipulation – man schneidet die Wahlkreise so zu, dass die Rechte die Mehrheit erhält.
Viele meiner Kollegen und Freunde haben die Finanzierung ihrer Film- und Wissenschaftsprojekte verloren, weil die Themen nicht in Trumps Weltanschauung passen. Förderanträge werden nun vorsichtiger formuliert; ich selbst habe auf Zuschüsse verzichtet, weil ich meinen Antrag nicht anpassen wollte. Mein Mann forscht im medizinischen Bereich; er ist Spezialist für Public-Health-Forschung im Bereich Herzkrankheiten. Auch er hat Fördermittel verloren; seine Karriere befindet sich derzeit im Umbruch. Es ist eine Sache, wenn politische Dokumentarfilme die Finanzierung verlieren – das ist schrecklich und gefährlich, denn so lernen die Menschen. Aber medizinische Forschung? Hier geht es um Leben und Tod. Es ist wirklich entsetzlich und beängstigend.
Die Finanzierungsstrukturen können sich wieder ändern, aber die Menschen, die ersetzt wurden – in den Gerichten, in den Behörden, die vielen Experten und Mitarbeiter, die entlassen wurden: Sie werden nicht zurückkehren. Jahrelange Erfahrung ist verloren. Ich spreche noch gar nicht von den Schäden für Klima und Umwelt, die entstehen werden, weil die Errungenschaften von Joe Bidens Inflationsbekämpfungsgesetz zunichtegemacht werden. Einer meiner Söhne sagte: „Wenn Trump gewinnt, verliert die Demokratie vier Jahre. Aber unser Planet hat diese vier Jahre nicht zu warten.“ Und damit hat er Recht.
Oh ja. Als Nachkommen von Holocaust-Überlebenden habe ich einen österreichischen Pass, meine beiden Kinder auch und mein Mann hat einen irischen Pass. Es fühlt sich an, wie ein Ass im Ärmel. Definitiv. Aber an diesem Punkt kommt meine Oma ins Spiel. Sie glaubte daran, dass wir um unsere Freiheit kämpfen müssen. Ich würde mich unsolidarisch mit meinen Freunden und den Menschen in Gefahr hier fühlen, wenn ich sie zurücklasse.
Wenn Sie mich danach fragen, denke ich zuerst an meinen Vater Franz. Er war demokratischer Senator im Bundesstaat New York und starb 2023, sodass er Trumps zweite Wahl nicht mehr miterleben musste. Das war ein Segen. Er wäre am Boden zerstört gewesen. Auch meine Großmutter wäre zutiefst erschüttert und fassungslos gewesen. Aber sie wäre nicht überrascht gewesen. Sie wusste, wie stark die Kräfte des Faschismus sind. Und sie würde uns raten: Seid wachsam. Ich denke, die Wahl von Mamdani und die anderen Siege der Demokraten in Virginia und New Jersey sowie die Volksabstimmung in Kalifornien, zusammen mit den sieben Millionen Menschen, die am 18. Oktober in den USA demonstrierten, sind allesamt sehr hoffnungsvolle Zeichen. Wir haben Kampfgeist.