Interview

Annika Brockschmidt 

Die Republikaner sind keine normale Partei

Gespräch: Barbara Tóth

FALTER:  Nr. 47/2022

Erscheinungsdatum: 12. November 2022

Portrait Annika Brockschmidt © Jacobia Dahm
© Jacobia Dahm
Zur Person

Annika Brockschmidt hat Geschichte, Germanistik und War and Conflict Studies in Heidelberg, Durham und Potsdam studiert. Sie ist freie Journalistin und Autorin. Ihr aktuelles Buch „Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“ landete auf der Spiegel Bestseller-Liste. Sie schreibt unter anderem für den Tagesspiegel, ZEIT Online, Religion Dispatches und die Frankfurter Rundschau - über amerikanische Politik, Rechtsextremismus und Kultur. Außerdem produziert sie Podcasts, beispielsweise „Kreuz und Flagge“ mit Georgetown-Prof. Thomas Zimmer zum Stand der amerikanischen Demokratie und „Feminist Shelf Control“ mit Rebekka Endler.

Es ist Mittwoch vergangene Woche, Ex-US-Präsident Donald Trump hat gerade seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 angekündigt, aber der Applaus bleibt aus. Sogar seine einstigen Lieblingsmedien witzeln über ihn. Als neuer Star der Republikaner gilt nach den Midterms der Gouverneur Floridas, Ron DeSantis. Die deutsche Journalistin und Expertin für die religiöse, radikale Rechte Annika Brockschmidt („Amerikas Gotteskrieger“) schaltet sich per Zoom aus Washington zu.
FALTER Frau Brockschmidt, ist das jetzt das Ende von Donald Trump?

Die Republikaner haben sich noch nicht aktiv von Donald Trump abgewendet, weil sie noch nicht abschätzen können, ob die Basis tatsächlich auch von ihm wegwill. Aber es rumort heftig. Sich mit Trump anzulegen, kann sehr gefährlich werden. Er hat in der Vergangenheit viele Konkurrenten zerstört. Er ist einer, der das Schiff am Ende lieber niederbrennt, als das Ruder abzugeben. Insofern wird es extrem ungemütlich für die Republikaner in den nächsten zwei Jahren werden. 

Würde sich mit Ron DeSantis etwas an der radikalen Ausrichtung der Republikaner ändern? 

Nein. DeSantis fährt eins zu eins den Trump-Kurs, übrigens auch was die Lüge vom Wahlbetrug angeht. Er regiert Florida wie eine Art Mini-Viktor-Orbán. Er schreckt nicht davor zurück, Firmen mit der Staatsmacht zu drohen, wenn sie seine Politik kritisieren oder nicht auf Linie sind. Er droht Universitäten, ihnen staatliche Gelder zu entziehen, wenn sie nicht auf Linie sind, und er hat die Rechte von LGBTQ-Menschen massiv eingeschränkt. Der republikanische Kulturkampf erschöpft sich nicht in Rhetorik, er hat konkrete Folgen in Form von Gesetzgebung. 

Alle Analysen zeigen, dass das Urteil des von Konservativen dominierten Obersten Gerichtshofes, das Recht auf Abtreibung zu kippen, diese Midterm-Wahlen entschieden hat, vor allem in den Swing States, also jenen Staaten, wo das Rennen besonders knapp war. Ein feministischer Moment?

Zu Jahresbeginn galt es ja noch als ausgemacht, dass die Demokraten beide Kammern des Kongresses krachend verlieren werden, da in der Regel die Partei des amtierenden Präsidenten die Midterm-Wahlen verliert. Joe Biden ist nicht sehr beliebt, die Wirtschaftslage noch schwierig, die Inflation hoch. Das Abtreibungs-Urteil brachte den Umschwung. Die Demokraten stellten republikanische Positionen im Wahlkampf als massive Bedrohung für die Demokratie als Ganzes dar. Sie machten die Midterms zu einer Abstimmung über den republikanischen Extremismus. Die Republikaner haben es ihnen aber auch leicht gemacht, weil sie das ganz offen sagen: Das ist erst der Anfang.

Es haben also Wählerinnen die Demokratie gerettet, oder ist das zu viel gesagt?

Es gab eine Rekordzahl bei der Registrierung von Wählerinnen. Aber eine Mehrheit der weißen Frauen hat Republikaner gewählt. Insofern spielt die ethnische Zugehörigkeit eine sehr große Rolle. Wie so oft haben Demokraten ihren Sieg vor allem Schwarzen, Frauen und Frauen of Color zu verdanken. Das ist auf jeden Fall ein feministisches Signal. 

Wie so oft haben Demokraten ihren Sieg vor allem Schwarzen, Frauen und Frauen of Color zu verdanken. Das ist auf jeden Fall ein feministisches Signal.

Annika Brockschmidt

FALTER Das ist erst der Anfang: Das bedeutet, die Republikaner werden sich nach dieser Wahl auch nicht verändern? 

Nein. Mehr als die Hälfte der republikanischen Kandidaten waren sogenannte election deniers, also Leute, die behaupten, dass Joe Biden die Wahl 2020 gar nicht rechtmäßig gewonnen habe. Von denen haben immer noch mehr als die Hälfte gewonnen. Das Repräsentantenhaus rückt erheblich nach rechts. Aber die Demokraten konnten verhindern, dass diese ­election deniers in wichtige Schlüsselpositionen aufrücken, bei denen sie 2024 die Zertifizierung der Wahlergebnisse manipulieren könnten.

In Europa sehen wir, dass radikale Rechte sich anpassen, soften, um Erfolg zu haben. Etwa in Italien und Schweden. Das ist keine Option?

Nein. Die Vorstellung, dass diese amerikanische Rechte oder republikanische Politiker nicht wirklich glauben, was sie sagen, dass sie nur posen, um ihre Basis aufzuheizen, ist falsch. Das sind für sie keine Strategiefragen, sondern Glaubensgrundsätze. 

Welche Rolle spielen rechte Medien dabei?

Es gibt ein in sich geschlossenes Desinformationssystem aus verschiedenen rechten Medien, das ein fester Bestandteil der republikanischen politischen Strategie ist. Medien wie Fox News sind gut darin, Themen für den Wahlkampf zu setzen, die nicht nur von rechten Politikern, sondern von etablierten, nicht rechten Medien übernommen werden. Das ist ein Problem. Aus falsch verstandener Neutralität halten anerkannte Nachrichtensender Äquidistanz zwischen zwei Positionen. Und der gesamte Diskurs rückt weiter nach rechts. 

Nur in den USA?

Leider auch in der deutschen Medienberichterstattung. Auch da werden Republikaner oft nach wie vor so behandelt, als seien sie eine ganz normale Partei.

Wie sollte man die Republikaner denn nennen?

Jedenfalls nicht rechtspopulistisch. Das klingt für mich immer so, als traue man sich nicht, das F-Wort zu sagen, und streut ein bisschen Glitzer obendrauf. Ich würde sagen: rechts, reaktionär, rechtsextrem und in gewissen Fällen neofaschistisch.

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