Gespräch: Josef Redl
FALTER: Nr. 38/2017
Erscheinungsdatum: 20. September 2017
Bis vor drei Jahren war Christian Felber Sprecher – und damit auch das Gesicht – der kapitalismuskritischen Bewegung Attac in Österreich. Dass er jetzt eine Bank gründen will, ist auf den ersten Blick paradox. Auf den zweiten aber nachvollziehbar. Christian Felber strebt nichts anderes als eine Veränderung der Wirtschaftsordnung an. Geld soll nicht Zweck, sondern Mittel sein. Daher soll die Bank auch eine Bank für Gemeinwohl sein, nach ethischen Kriterien veranlagen und in nachhaltige Projekte investieren. Für Felber ist die Bank nur ein Schritt zu jenem alternativen Wirtschaftsmodell, das ihm für die ganze Welt vorschwebt: der Gemeinwohlökonomie.
Steuerrechtlich bin ich freier Publizist. Als Eigendefinition verwende ich „ganzheitlicher Denker und Wirtschaftsreformer“.
Zunächst einmal gar nichts. Ich habe sieben Jahre ehrenamtlich für die Gemeinwohlökonomie und das Projekt Bank für Gemeinwohl gearbeitet. Mein Einkommen setzt sich aus Vortragshonoraren und aus Buchverkäufen zusammen. Zwei bis drei Prozent verdiene ich übers Tanzen.
Empirisch gibt es dafür erste Beispiele. In einer spanischen Gemeinde wurde beispielsweise darüber abgestimmt, ob sich die Bürger auf einen Weg zu einer Gemeinwohlgemeinde machen wollen. Die Wahlbeteiligung war bei 90 Prozent, die Zustimmung bei 89,6 Prozent. Auch der europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat ein Papier mit Empfehlungen an die Kommission verfasst. Das wurde mit 86 Prozent angenommen. Gemeinwohlökonomie bedeutet, dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten auf das Gemeinwohl und seine Mehrung ausgerichtet sind.
„Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“ steht wörtlich in der Bayerischen Verfassung. Im deutschen Grundgesetz steht: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll stets zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ In der kolumbianischen Verfassung heißt es: „Die Wirtschaftsinitiative ist frei innerhalb der Grenzen des Gemeinwohls.“ Das Kapital ist nur ein Mittel des Wirtschaftens, kein Zweck. Unser Ansatz lautet: Wenn sich zeitgenössische Verfassungen weltweit das Gemeinwohl zum Ziel setzen, dann gibt es wohl einen Methodenfehler in der Erfolgsmessung. Wenn Gemeinwohl unser Ziel ist, dann müsste man das auch in den wirtschaftlichen Aktivitäten messen. Mit dem Gemeinwohlprodukt, der Gemeinwohlbilanz und der Gemeinwohlprüfung für Investitionen. Zu wissen, über wie viele Mittel wir verfügen, ist wichtig und auch rechtlich relevant.
Unser Vorschlag ist, dass die Gemeinwohlbilanz transparent gemacht wird. Die Konsumenten können ihre Entscheidungen aufgrund einer breiteren Informationslage treffen. Darüber hinaus sollte das Ergebnis aber auch zu Anreizsystemen führen. Bei der Besteuerung von Gewinnen zum Beispiel. Portland hat das soeben umgesetzt. Wenn die Ungleichheit in einem Unternehmen einen gewissen Punkt überschreitet, kommt zunächst ein zehnprozentiger Aufschlag bei der Körperschaftsteuer dazu. Wenn die Ungleichheit besonders gravierend ist, kann das bis zu 25 Prozent betragen.
Christian Felber
Genau, damit bleibt das Steueraufkommen neutral. Der mächtigste Hebel überhaupt ist der öffentliche Einkauf, der macht in Österreich 20 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, in Spanien sogar 30. Wenn die öffentliche Hand konsequent zuerst nach der Gemeinwohlbilanz fragt und dann bei den ethischen Unternehmen die Preise vergleicht, haben wir auch Effizienz und Ethik in Einklang gebracht. Der internationale Handel ist auch ganz wichtig. Anstatt Freihandel für die Dumper soll Handel nur frei sein für die Fairsten. Je schlechter die Gemeinwohlbilanz, desto teurer der Marktzugang, desto höher der Zollaufwand. In Summe sollen dann die ethischen Produkte preisgünstiger sein als die unethischen. Das dahinterliegende volkswirtschaftliche Ziel ist, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht, dass die Armut zurückgeht, dass der ökologische Fußabdruck auf ein global nachhaltiges Niveau reduziert wird.
So wie jetzt: Man schafft die entsprechenden Gesetze und Abkommen. Die Spieler spielen jetzt nach den Regeln, die von Parlamenten beschlossen wurden. Unsere Analyse nach 20 Jahren politischer Tätigkeit ist, dass die Prioritäten der politischen Eliten in vielen Grundsatzfragen immer stärker von den Mehrheitsbedürfnissen abweichen. Deshalb schlagen wir vor, dass grundsätzliche Richtungsentscheidungen direkt von den Souveränen getroffen werden.